Dieser Fall einer Leasinggesellschaft nahm seinen Anfang in 1976 als bundesweit viele Leasinggesellschaften gegründet wurden. Im konkreten Fall handelte es sich hier um eine kleine, aber in den ersten Jahren sehr expansive Leasinggesellschaft aus Mainz. Gegründet wurde diese Gesellschaft von einem früheren Filialleiter einer Verbraucherkreditbank, der offensichtlich in der Selbständigkeit riesige Gewinnchancen sah.
Möglicherweise ist ihm diese Idee beim sonntäglichen Sonnenbad auf seinem Balkon gekommen, weil sich in unmittelbarer Nähe, in Sichtweite seines privaten Wohnhauses, das Bürohaus der wesentlich größeren Deutschen Anlagenleasing befand. Weiterhin wird vom Autor angenommen, dass er beim Nachdenken in der sonntäglichen Ruhephase auch die sonstigen entscheidenden Einfälle hatte.
Ein Büroraum war im Keller des Einfamilienhauses vorhanden, also wurden die erforderlichen Arbeitsplätze für die ersten Mitarbeiter der angedachten Leasingfirma im Keller des eigenen Einfamilienhauses geschaffen.
Was brauchte man noch?
Natürlich waren hierfür Formulare der unterschiedlichen Art erforderlich. Gedacht, überlegt, da gab es doch den zwischenzeitlich pensionierten Bekannten, der seine Dienstzeit bei der Deutschen Leasing AG abgesessen hatte. Dieses Problem wurde mit ihm erörtert und eine Lösung gefunden. Er brachte die gesamten Verträge und notwendigen Formblätter mit, der Firmenname auf den Formblättern war schnell verändert und die Verträge und Formblätter neu gedruckt.
Ganz offensichtlich wurden auch Kontakte von irgendwoher eingebracht, um überhaupt Verträge angeboten zu bekommen. Welche Kontakte das waren, zeigte das Abrechnungsverfahren. Provisionen wurden anfangs im großen Umfang bar oder per Barscheck abgerechnet. Provisionsempfänger waren regelmäßig Angestellte von Unternehmen, u.a. auch Autoverkäufer, die mit größter Wahrscheinlichkeit illegal tätig waren. Als dann Provisionsrückstände vorhanden waren, traute sich dementsprechend auch keiner zu klagen.
Jetzt fehlte nur noch Geld um Leasingverträge im großen Umfang abschließen zu können.
Die Refinanzierung erfolgte über eine genossenschaftliche Bank, die bereitwillig bei Abtretung des Rechtes an den verleasten Wirtschaftsgütern die Finanzierung übernahm. Da sie dem frischgebackenen Leasingunternehmer auch noch das Recht einräumte, Schecks auf die Bank zu ziehen, waren, als man genauer nachschaute, schon einige Millionen verschwunden. Mitgewirkt hat hier auch ein Mitarbeiter der Bank, der aus Bequemlichkeit, Überlastung oder korrumpiert, die unbearbeiteten Finanzierungsakten im Büro hatte.
Abenteuerlich war diese Finanzierung allein schon deshalb, weil die Leasingfirma ein Wirtschaftsgut z.B. für 111.000,00 DM inklusiv der damaligen 11 %igen Umsatzsteuer kaufte, dieses an den Leasingnehmer übereignete und daraufhin von der Bank 111.000,00 DM als Refinanzierung erhielt.
Schön für die Leasingfirma war, dass sie steuerlich Eigentümer des Leasinggutes blieb und somit beim Finanzamt 11.000,00 DM Vorsteuern anmelden konnte. Durch die großzügige Refinanzierung der Bank hatte die Leasingfirma also einen Liquiditätsüberschuss in diesem Beispiel von 11.000,00 DM, der erst mit Eingang der Leasingraten im Verlauf von fünf Jahren abfloss, sofern der Vertrag eine entsprechende Laufzeit hatte.
Wichtig für die Leasingfirma war es jetzt, möglichst schnell in diesem Geschäft ein sehr großes Rad zu drehen. Das heißt, je mehr Verträge abgeschlossen wurden, je höher war der Liquiditätsüberschuss aus der Finanzierung durch die Bank, weil gleichzeitig die Vorsteuer durch das Finanzamt erstattet wurde, welche die Bank bereits finanziert hatte.
Bei diesen Voraussetzungen brauchte man nur noch etwas beschränkt zu sein, um den durch die teilweise Doppelfinanzierung ausgelösten Geldüberhang auf dem Konto mit Gewinn gleichzusetzen. Ein Verhalten, welches man bei Jungunternehmern und Existenzgründern nicht allzu selten antrifft.
Sehr schnell war dann auch das Kellerbüro zu klein und ein größeres, repräsentativeres Büro musste gefunden werden. In der Breite Straße in Mainz fand man die richtigen Flächen in direkter Nachbarschaft zur "Mainzer Allgemeine Zeitung".
Noch etwas ganz wichtiges war zu erledigen, ein akademischer Grad, möglichst ein Dr.-Titel musste den Namen des Inhabers schmücken. Schließlich verhandelte man ja mit Banken, die hinsichtlich der Geschäftspartner Ansprüche haben. Also wurde in 1977 mit dem ersten verdienten Geld ein 14-tägiger Urlaub in die Vereinigten Staaten von Amerika gebucht, wie das dann im einzelnen ablief weiß der Autor nicht, jedenfalls kam der frisch gebackene Leasingunternehmer nach Aussage von zwei glaubwürdigen Mitarbeitern als ganz neuer "Dr." zurück.
Jetzt war er zumindest äußerlich, mit seinem neuen akademische Ausbildung vortäuschenden Titel ein würdiger Gesprächspartner für Bankdirektoren.
Das Unternehmen expandierte und expandierte und als immer mehr Leasinggüter verloren gingen, immer mehr Leasingnehmer insolvent wurden, konnte man schon ahnen, dass es deutschlandweit einen Geheimtip gab, bist du nicht mehr kreditwürdig, geh nach Mainz.
Die Folgen waren an sich klar, trotz des Liquiditätsüberschusses durch Bruttorefinanzierung und Vorsteuererstattung reichte es nicht mehr für den Verbrauch der Inhaber und der Bedienung der sonstigen Verpflichtungen.
Die Bilanz auszugleichen und für die Bank einen Gewinn auszuweisen, das war das kleinste Problem. Sind Leasinggüter gestohlen worden oder verbrannt, verschwanden sie aus der Bilanz und wurden ein oder zwei Jahre später wieder neu in die Bilanz eingestellt. Auch als nahezu jeder zweite Leasingnehmer insolvent war, merkte der Wirtschaftsprüferassistent eines weltweit agierenden Wirtschaftsprüferunternehmens, der den Abschluss zu prüfen hatte, nichts oder fast nichts.
Abenteuerlich war auch der Ausweis der Leasingrückläufer (i.d.R. defekte Geräte), die im Obergeschoss eingelagert wurden. Diese wurden natürlich mit dem Restbuchwert weiter abgeschrieben, als ob diese Gerätschaften noch werthaltig seien. Den fachlich korrekten, jedoch mehr scherzhaft gemeinten Hinweis, dass man den Gerätebestand (alte Computer, Kopierer, Schreibmaschinen) wegen der damals noch vergoldeten Kontakte mit einem Kilopreis von 0,50 DM bilanzieren sollte, verursachte bei dem verantwortlichen Leiter des Rechnungswesens einen nicht zu übersehenden Schock.
Irgendwann merkte dann auch die refinanzierende Bank, welches Kuckucksei sie im Nest liegen hatte. Wöchentlich kamen Bankmitarbeiter zur Aktenprüfung. Dies war auch erforderlich, weil der Inhaber der Leasingfirma nicht zum ersten und letzten Mal abgetretene Leasinggüter zwecks Liquiditätsbeschaffung verkauft hatte.
Stellte die Bank dies fest, wurde es manchmal sehr laut im Büro des Inhabers, aber da man noch im gemeinsamen Boot saß, wurde keine Strafanzeige wegen Betrug, § 263 StGB, erstattet.
Eine andere Art der Liquiditätsbeschaffung lief besonders interessant ab. Die Mitarbeiterinnen im Büro der Leasingfirma schrieben allen Leasingnehmern ein Entschuldigungsschreiben, (damals noch richtig manuell mit Schreibmaschinen, Computer mit Serienbrieffunktionen waren noch nicht üblich) mit dem man bedauerte, dass irrtümlich die Leasingraten doppelt abgebucht worden seien und der überzahlte Betrag im nächsten Monat wieder glattgestellt werde. Wenn diese Briefe alle fertig waren, wurden die Leasingnehmer über eine willige Frankfurter Bank mit den laufenden Leasingraten belastet und parallel die Leasingraten über die bereits vorher beauftragte Bank ein weiteres mal belastet. Die Entschuldigungsschreiben wurden abgeschickt und man hatte wieder Geld, durch doppelt eingegangene Leasingraten für die laufenden Ausgaben.
Interessant war auch die Schuldenbuchhaltung.
Nicht bezahlte Rechnungen wurden handschriftlich in einem Buch erfasst. Sortiert wurde nach den Kriterien: älter als 6 Monate, ein Jahr oder zwei Jahre und älter.
Irgendwann tauchte dann das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung auf. Die Leasingfirma war wie viele in eine Steuerfalle marschiert, die vorsah, dass Leasingfirmen, die nicht bankangehörig sind, Eigentümer der Leasinggüter sind und somit der Gewerbekapitalsteuer unterliegen. Als der Prüfer ca. 1 Million DM Nachforderungen für Gewerbekapitalsteuer festgestellt hatte, soll er freudestrahlend das Unternehmen verlassen haben, ohne zu bemerken, dass in dem Unternehmen nahezu nichts mehr steuerlich korrekt war.
Als dennoch die Pleite drohte brach das damals wie heute übliche Gejammer aus, Verbände wurden eingeschaltet, um die Vollstreckung zu verhindern, alles nach dem Tenor diese armen, benachteiligten, erhaltenswerten, mittelständischen Leasingfirmen usw.. In jedem Fall mit Erfolg, denn das Finanzamt vollstreckte einstweilen nicht.
Trotz allem brauchte die refinanzierende Bank offensichtlich einen Jahresabschluss der Leasingfirma, möglichst in testierter Form. Hier musste nun wieder der schon erwähnte willige Wirtschaftsprüfer ran. Die Tatsache, dass der von einer der weltweit größten Wirtschaftsprüfergesellschaft kam, ließ darauf schließen, dass hier die Bank Einfluss genommen hat. Jedenfalls konnte trotz einer ungedeckten Forderung des Finanzamtes Mainz in Höhe von einer Million DM und tatsächlicher vielfacher Überschuldung des Unternehmens aus anderen Gründen ein Gewinn ausgewiesen werden. Lediglich das Testat des Wirtschaftsprüfers enthielt den Hinweis auf die nicht abschließend geklärten Forderungen des Finanzamtes in Mainz. Offensichtlich war auch die Einordnung der Millionenforderung des Finanzamtes in der Bilanz unter sonstige Verbindlichkeiten deshalb erfolgt, weil es nur wenige Prüfer gibt, die eine Bilanz insgesamt bis zur letzten Seite durchlesen.
Die refinanzierende Bank sanierte sich zum Schluss teilweise, indem sie in Zusammenarbeit mit der seit Jahren insolventen Leasingfirma einen wesentlichen Bestandteil der laufenden Leasingverträge als Paket an eine Hamburger Privatbank veräußerte, die in 1995 durch Konkurs von sich reden machte. Ein vorheriger Verkaufsversuch an eine andere Mülheimer Bank scheiterte wegen eines warnenden Hinweises des Autors.
Der Inhaber der Leasingfirma landete fast drei Jahre nach diesen Vorgängen, wegen dieser und anderer Vergehen für mehrere Jahre ins Gefängnis.
Dem Wirtschaftsprüfer und den Verantwortlichen der Bank geschah nichts erkennbar schlimmes. Das Finanzamt in Mainz erhielt natürlich keinen Pfennig.