Ausschreibungsbetrug
Ausschreibungsbetrug ist im Beschaffungswesen vermutlich die bedeutendste Betrugsart, noch
bedeutender als der Abrechnungsbetrug, bei dem die Schäden auch schon gewaltige Summen erreichen.
Unter Ausschreibung versteht man die Ausschreibung gewünschter Leistungen unter
Wettbewerbsbedingungen. Gesetzliche Verpflichtung zur Ausschreibung besteht bei nahezu allen
öffentlichen Bau- und Beschaffungsaufträgen. In den meisten dieser Beschaffungsvorgänge besteht
sogar die Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung nach dem EU-Recht. Möglicherweise gerade
wegen dieser Verpflichtung, sind aus dem öffentlichen Vergabewesen heraus die raffiniertesten Tricks
entwickelt worden, die trotz Ausschreibung beliebige Manipulationen der Preise zulassen. Das von
dieser Entwicklung die Vergabepraxis auf der Unternehmensebene nicht unberührt blieb, versteht sich
von selbst. Unterstützt werden die Korrupten durch fehlende verbindliche Vorschriften zur
Ausschreibungsorganisation in Verbindung mit Mängeln bei der Überwachung. So sind zum Beispiel in
der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) und in der VOL (Verdingungsordnung für Lieferungen
und Leistungen) sehr detaillierte Regelungen aller Bereiche enthalten, nur zur
Ausschreibungsorganisation finden sie wenig bis nichts.
Schon als klassisch zu bezeichnende Betrugswege sind im Wettbewerbsverfahren:
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Geplant unrichtige Mengenangaben der gewünschten Leistungen, um in Verbindung mit selektiver
Information bestimmter Anbieter, die Konkurrenten auszuschließen.
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Einbau von für die Funktion nicht erforderlichen Leistungen, um so ausgewählte, informierte Anbieter
zu Bevorteilen.
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Vorsätzliches Weglassen von funktionell wichtigen Positionen, um über diesen Weg, in Verbindung mit
entsprechender Vertragsgestaltung, hohe Nachforderungen der leistenden Unternehmer vertraglich
einzuplanen.
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Festlegung bestimmter Produkte, Produktmaße oder Verfahren, um so Hersteller dieser Produkte oder
Rechteinhaber im Wettbewerb zu bevorzugen.
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Vermischung von Stundenlohn und Pauschalarbeiten auf einer Baustelle mit einer Firma, um so die
organisatorischen Voraussetzungen für umfangreiche Abrechnungsbetrügereien zu schaffen.
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Verrat der Angebotspreise an Konkurrenten, durch unterschiedliche Lücken im Wettbewerbsverfahren und
des betrieblichen internen Kontrollsystems.
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Ausschreibung anderer, als tatsächlich gewünschter Leistungen, meistens in der Variante der
geringeren als ausgeschriebenen Ausführungsqualität.
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Ausschreibung in der Sache nicht erforderlicher Arbeitsschritte oder die Lieferung höherwertiger
Materialien, z.B. im technischen Aufbau einer Handwerksleistung, die tatsächlich bei der späteren
Ausführung nicht erbracht und verlangt werden.
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Gezieltes Verschweigen von Vorleistungen des Auftraggebers, um so informierte Anbieter zu
bevorzugen.
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Bewusst unpräzise Definition des Leistungsübergange, z.B. bei größeren An- und Umbaumaßnahmen, um
nicht informierten Anbietern die Kalkulation zu verteuern.
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Verrat der Mitbewerber im Ausschreibungsverfahren, um allen Teilnehmern die Möglichkeit einzuräumen,
das Anbieterverhalten zum Nachteil des späteren Auftraggebers abzustimmen.
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Durch gezielte Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer an einer beschränkten Ausschreibung , Partner für
ein geplantes, abgestimmtes Anbieterverhalten zusammen zu bringen.