Adolf Krohn

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Illegale Arbeitnehmerüberlassung

Was der Versicherungsbetrug bei der Bevölkerung war, entwickelte sich im gewerblichen Bereich im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) auf der Unternehmensebene.

Die Missachtung des AÜG gehörte seit Verkündung des Gesetzes am 11.10.1971 auf der Unternehmensebene zum normalen Tatbestand. Dies wurde vom Gesetzgeber dadurch gefördert, dass in diesem Gesetz, für den entleihenden Unternehmer, keine straf- oder ordnungsrechtlichen Sanktionen vorgesehen waren.

Den folgenden hochinteressanten, sehr typischen Fall haben wir deshalb ausgewählt, weil hier nicht nur permanent gegen geltendes Recht verstoßen wurde, sondern sich der Konzern bei seinem Bemühen um formal personalarme Produktion, auch noch selbst erheblich geschädigt hat.

Ausgangspunkt der Handlung war das AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) vom 11.10.1971, welches nach einer Übergangsphase von drei Monaten ab dem 11.01.1972 zu beachten war. Dass dieses Gesetz in der Praxis nicht funktionierte wusste auch der Gesetzgeber. Wegen der Gewerkschaftsnähe der damaligen Regierung und der u.a. verfassungsrechtlichen Undurchführbarkeit des gewerkschaftlich geforderten totalen Verbotes der Arbeitnehmerüberlassung, wurde ein Kompromiss mit einer Höchstverleihdauer von drei Monaten gesetzlich geregelt. Im einzelnen wird hier auf das Gesetz verwiesen.

Und weil, wie schon erwähnt, das Gesetz in der betrieblichen Praxis nicht durchführbar war, man sich aber andererseits gewerkschaftlichen Gruppen gegenüber verpflichtet hatte, enthielt das AÜG für den illegalen Entleiher von 1971 bis 1986 keine Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Gesetz. In der Praxis bedeutete dies, dass das Gesetz von Beginn an dahingehend als Mogelpackung geplant war, weil es die Praxis in der Wirtschaft nicht verändern sollte, den Gewerkschaften aber das Gefühl gab, sich zum Teil, gegenüber der damals sozialliberalen Regierung, durchgesetzt zu haben.

Bild 12Die Fremdfirmenmitarbeiter, als auch die eigenen Mitarbeiter waren in dem hier behandelten Beispiel in den Werkstätten des Entleihers gleichberechtigt integriert. Was die Fremdfirmenmitarbeiter als Auslösung bekamen hatten die eigenen Mitarbeiter als Mehrlohn, so dass auch wirtschaftlich, für die Mitarbeiter, kaum Unterschiede vorhanden waren. Die Führungskräfte, ab der Meisterebene, waren in der Regel eigene Mitarbeiter, während die Vorarbeiter auch schon Fremdfirmenmitarbeiter sein konnten. Dass die Mitarbeiter in den Arbeitsgruppen, unabhängig von der Firmenzugehörigkeit zusammengestellt wurden, das versteht sich von selbst.

Trotz allem, offen gegen Gesetze verstoßen, das entsprach damals wie heute nicht dem Stil eines traditionellen Industriebetriebes. Also suchte man einen Ausweg und fand ihn über die Abrechnung der Zeitarbeit als Werkvertrag.

Extra dafür wurde eine Abteilung gegründet, die im wesentlichen nichts anderes zu machen hatte, als die jetzt illegale Arbeitnehmerüberlassung, durch Werkverträge zu kaschieren. Hierzu wurden die einzelnen Arbeitsaufträge, regelmäßig erst nach der Auftragsdurchführung, auf dem Papier in einzelne Arbeitsschritte zerlegt. Der deutschen Gründlichkeit folgend, wurde aus jedem Arbeitsschritt ein Werkauftrag geschrieben. Das konnten bei einer großen Instandsetzung mit eingesetzten 900 Mitarbeitern durchaus über 5000 Einzelaufträge sein oder bei einem kleinen Fertigungsauftrag für eine einfache Rohrunterstützung 10 Einzelaufträge. Ursächlich hierfür war, dass für eine solche Rohrunterstützung Einzelaufträge für Sägen, Brennschneiden, Heften, Bohren, Schweißen, Entrosten, Streichen, Transportieren, Montieren und Arbeitsabnahme geschrieben wurden. Die Arbeit war regelmäßig, wie bereits erwähnt, zum Zeitpunkt der schriftlichen Auftragserstellung, schon lange, nach mündlicher Absprache mit den Werksabteilungen, erledigt.

Und weil von dieser Stelle nicht zu steuern war, ob die aufzuschreibende Arbeit von Fremdfirmen oder eigenen Mitarbeitern erledigt wurden, enthielt jeder Werkauftrag die entweder/oder Möglichkeit. Das heißt jeder einzelne Auftragssatz enthielt die Formblätter für die Fremdfirmenabrechnung und für die Lohnabrechnung der eigenen Mitarbeiter.

Anzumerken ist schon hier, dass die technischen Bereiche wegen erheblicher Kontrollschwächen nicht sicherstellen konnten und wollten, dass ein Werkauftrag nicht zweimal, also sowohl von der Fremdfirma als auch vom eigenen Mitarbeiter abgerechnet wurde.

Weiterhin anzumerken ist schon hier, dass die Werkaufträge nachträglich nach REFA kalkuliert wurden und diese Zeiten fast immer oberhalb der Zeiten lagen, die tatsächlich verbraucht wurden.

Das wussten natürlich auch die Werkstattverantwortlichen, die durch installierte Stempeluhren sicherstellten, dass kein Mitarbeiter mehr Stunden bezahlt bekam, als er tatsächlich physisch anwesend war. Denn nichts anderes als Lohnarbeit sollte und wurde von den Fremdfirmen erbracht.

Auch der alte Abzockertrick, dass ein Mitarbeiter zwei oder mehr Stempelkarten stempelt, funktionierte durch die Installation der Stempeluhren im Meisterbereich nicht, oder nur mit hohem persönlichen Risiko des einzelnen Mitarbeiters.

Für die technischen Bereiche war diese Situation mehr als angenehm, weil die Differenz zwischen den nach REFA kalkulierten und den tatsächlich verbrauchten Stunden derart groß war, dass die technischen Bereiche durchgängig den Stundenvorrat für ca. ein halbes Jahr vor sich hinschoben. Das heißt, auch bei Nullleistung hätte man die vorhandenen ca. 1000 Mitarbeiter noch ein halbes Jahr aus dem kalkulierten Stundenüberschuss früherer Zeiten bezahlen können. Leistungsdruck aus Budgetgründen war dadurch über 20 Jahre ein Fremdwort. Dies war auch für die Fremdfirmenmitarbeiter angenehm, weil diese ohne Zeitdruck ihrem Job nachgehen konnten.

Unschwer konnte man, wenn keine Betriebsstörung war, bei einer Betriebsbesichtigung, in einer Stunde ca. 100 Fremdfirmenmitarbeiter entdecken, die gerade nicht beschäftigt waren und ihre Zeit anderweitig vertrieben.

Wie schlecht dies für den Konzern war zeigte ein Preisvergleich hinsichtlich einzelner Arbeiten. Durchgängig lagen die internen, nach REFA kalkulierten Verrechnungspreise, um 300 bis 360 % oberhalb des Marktpreises unter Wettbewerbsbedingungen. Es müssen also auch lausige Kalkulatoren gewesen sein.

Besonders schlimm wurde es für den Konzern, als die Stempeluhren wegen Modernisierung der Zeiterfassung abgeschafft wurden. Die Organisationsabteilung, die dies ohne Kenntnis der illegalen Strukturen im Abrechnungswesen realisierte, wurde durch die technische Bereiche dahingehend behindert, dass man ihr das Budget für die elektronische Zeiterfassung immer weiter kürzte. Letztendlich blieb nur noch soviel Geld vorhanden, dass es für ein Zeiterfassungsterminal an zwei Werkstoren und für Werksausweise ohne Passbild reichte. Da bei Beendigung der Arbeit, der an einen Fremdfirmenmitarbeiter ausgegebene Ausweis auch nicht automatisch zurück verlangt wurde, waren bald nahezu alle technisch möglichen 2000 Ausweise ausgegeben worden.

Dies bedeutete eine Öffnung der Geldschöpfungsmöglichkeiten für alle Fremdfirmen, wie sie besser nicht funktionieren konnte. Ohne großes persönliches Risiko konnte ein geschickter Mitarbeiter, bis zu fünf Ausweise, ohne aufzufallen, registrieren lassen und somit die Anwesenheit von weiteren 4 Kollegen vortäuschen. Theoretisch konnte ein Mitarbeiter den Einsatzort auch wieder verlassen ohne seinen Abgang mittels Ausweis zu dokumentieren. Es wäre vollkommen ausreichend gewesen, das Werk abends wieder ohne Ausweisbenutzung zu betreten und es eine Stunde später, aus Sicherheitsgründen, durch ein anderes Tor wieder zu verlassen. Selbst die Überstundenbezahlung wäre ihm sicher gewesen.

Vor dem Hintergrund nicht schnell erschöpfbarer Budgets und dem absoluten Wegfall der Kontrollmöglichkeit durch Abgleich der EDV-Zeiterfassung mit den Stempelkarten, konnte es den Fremdfirmen nicht mehr besser gehen. Dass das betroffene Werk wegen hoher kumulierter Verluste in den vergangenen zwanzig Jahren im Milliardenbereich nicht geschlossen wurde, hatte Ursachen, die außerhalb des Werksbereichs, im internationalen Geschehen lagen.

Das Risiko für den Konzern wurde erst größer, als der Gesetzgeber in 1986, 15 Jahre nach Verabschiedung des AÜG, auch für den Entleiher Sanktionen bei Rechtsverletzungen gegen das AÜG in das Beschäftigungsförderungsgesetz einbaute.

Allerdings, dies war für das Unternehmen ein Glücksfall, es gab trotz gravierendem Personalabbau durch Konzernumstrukturierung niemanden, der seine Rechte auf Einstellung geltend machte. Nach dem AÜG hätte sich die illegale Arbeitnehmerüberlassung so ausgewirkt, dass automatisch alle diese entliehenen Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher gehabt hätten.

Viele der ca. 600 Fremdfirmenmitarbeiter, für die die Einstufung illegale Arbeitnehmerüberlassung zutreffend war, arbeiteten schon über 20 Jahre für diesen Entleiher. Generell kann davon ausgegangen werden, dass alle 600 Mitarbeiter von 5 bis 20 Jahre für diesen Entleiher tätig waren. Zur gleichen Zeit als die Angelegenheit gefährlich wurde, musste das Unternehmen ca. 1.500 eigene Mitarbeiter durch eine Konzernumstrukturierung abbauen. Es wäre sicherlich ein äußerst spektakulärer Fall gewesen, wenn z.B. die Gewerkschaften aufgepasst hätten und Mitarbeiter der Fremdfirmen ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher durchgesetzt hätten. Allein der Sozialplan für den sowieso erforderlichen Personalabbau hätte um einen zweistelligen Millionenbetrag aufgestockt werden müssen.

Dies in Addition zu den mindestens dreistelligen Millionenverlusten der vergangenen Jahre, die allerdings über den bestehenden Ergebnisabführungsvertrag, durch den Konzern getragen wurden.

Da dieser sich wieder durch seine Marktstellung beim Verbraucher refinanzieren konnte, wurde die Beute der Fremdfirmen aus stark überhöhten Preisen, letztendlich über den Produktpreis, durch die Kunden des Konzerns bezahlt.

Da gab es doch noch etwas? Richtig! Hochdotierte Beamte in den Landesarbeitsämtern, die zumindest in den letzten Jahren durch sehr spektakuläre Baustellenaktionen auffielen. Auch für die regelmäßigen jährlichen Prüfungen in den legal und illegal tätigen Zeitarbeitsunternehmen sind sie zuständig. Sie rückten auch immer mit drei Prüfern in den Unternehmen an.

Bild 9Gefunden haben sie nur selten etwas. Weder die getricksten Werkverträge, die bei näherer Hinschau als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung hätten enttarnt werden können, noch die Standardtricks, zur Umgehung der Höchstentleihdauer von drei/sechs Monaten wurden aufgedeckt.

Und, dies sei angemerkt, die Standardtricks der Zeitarbeitsbranche aufzudecken, das erfordert wirklich kein großes Können und vor allem kein Hochschulstudium.

Da wird den Mitarbeitern direkt bei der Einstellung ein nicht datierter Urlaubsantrag zur Unterschrift vorgelegt, der erst dann aktiviert wird, wenn man keinen folgenden Einsatz für diesen einen Mitarbeiter hat. Andere Mitarbeiter werden entgegen mündlicher Zusagen bei der Einstellung nach einem Einsatz in der örtlichen Niederlassung z.B. von Köln nach München in die dortige Niederlassung geschickt, dies auch dann, wenn die dortige Niederlassung überhaupt keinen Einsatz hat. Alles dies in der Hoffnung, dass der Mitarbeiter selbst kündigt. Fährt er wirklich nach München, schickt die Niederlassung ihn unter dem Vorwand, dass wegen der Eilbedürftigkeit schon ein anderer Mitarbeiter eingesetzt wurde zur Hamburger Niederlassung. Irgendwann kommt er schuldhaft zu spät und wird fristlos entlassen. Auch die Überredung eines Mitarbeiters zur Kündigung oder zum unbezahlten Urlaub, zur Überstundenabfeierung, usw. alles rechtswidrige Tricks, die von den Prüfern entweder nicht erkannt wurden, oder durch Geldscheine auf den Augen unsichtbar blieben. Vielleicht handelt es sich aber auch nur um eine flächendeckende Unfähigkeit der beauftragten Prüfer.

Gesetzwidrige Strukturen, die im Vergleich mit der Situation vor der Verkündung des AÜG, heute weit schlimmer als früher sind und vor allem, heute überregional und flächendeckend praktiziert werden.

Eines haben wir zu Lasten des Wirtschaftsstandortes Deutschland damit erreicht, die Bürokratie hat in diesem, wie in vielen anderen Bereichen aufgerüstet und expandiert. Die Kosten für diese zusätzliche Mitarbeiter und deren Pensionen werden durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Arbeitslosenversicherung finanziert. Kosten, denen letztendlich keine wirtschaftlich verwertbaren Leistungen gegenüberstehen und wegen der hohen Staatsverschuldung von den Kindern und Enkeln bezahlt werden müssen.

Wir haben mit der zunehmenden Bürokratisierung in diesem Bereich und beim Kündigungsschutz aber noch etwas erreicht. Zu Hunderttausenden gingen die Arbeitsplätze in Deutschland verloren und wurden ins Ausland verlagert. Auch die über meist getrickste Werkverträge herein geholten ausländischen Mitarbeiter aus Portugal, Skandinavien, England, Island, Weißrussland, Polen, Ukraine, Island u.s.w. sind eine logische Folge unseres Kündigungsschutzes, der es nicht erlaubt, überflüssige Mitarbeiter rasch abzubauen. Im Ergebnis führt der Kündigungsschutz dazu, dass Unternehmen nur dann Mitarbeiter einstellen, wenn deren Beschäftigung für zwei Jahre gesichert werden kann. Welcher Unternehmer kann das schon? Wenn die Möglichkeit durch Überstunden ausgereizt sind, werden halt Aufträge nicht angenommen oder auf ausländische Fertigungsstätten oder im Ausland ansässige Subunternehmer verlagert.

Auch dies führte wiederum zu einer Aufblähung des Fahndungsapparates mit einer noch größeren Schar von Beamten, weil man nunmehr verstärkt gegen die durch politische Fehlentscheidungen selbst verursachte Schwarzarbeit vorging. Extra hierfür wurden neben den erfolglosen Arbeitsämtern nun die durch die Grenzöffnung zur Untätigkeit verurteilten Zollbeamten aktiviert.

Und wenn man sich jetzt überlegt, dass die Bundesregierung in 2002 beschließt, die Zeitarbeit stark auszubauen und noch schlimmer, die Arbeitsämter nun zu Zeitarbeitsfirmen ausgebaut werden sollen, kann man nur noch den Kopf schütteln. Wie soll der Mitarbeiter eines Arbeitsamtes, der im Regelfall am Freitag schon um 12.00 Uhr ganz unruhig zur Uhr schaut, um das Dienstende nicht zu verpassen, Leiharbeiter vermitteln? Dieses Geschäft richtet sich nun einmal nicht nach den behördlichen Dienstabläufen.

Grundlage dieser Idee ist das in 2002 als Wahlkampfgag inszenierte sogenannte Hartz-Konzept, benannt nach dem Personalvorstand des VW-Konzerns Peter Hartz. Gemessen an die Aufmerksamkeit, die dieses Konzept in den Medien und in der Politik erfuhr, stellte sich für mich die Frage, warum die Bundesregierung nicht versuchte mit der Lösung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme den VW-Konzern zu beauftragen. Wenn dort ein im politischen Umfeld der jetzigen Regierung so hoch gelobter Personalverstand arbeitet ist es doch nur naheliegend, dass man die Lösung der in dem Hartz-Konzept skizzierten Aufgaben dem VW-Konzern überträgt. Ein Unternehmen, dass so erfolgreich am Markt agiert und einen so qualifizierten Personalvorstand hat, wird diese Aufgabe mit Sicherheit nicht schlechter erfüllen als in der Vergangenheit durch die gewählten Regierungen. Weil das die wesentliche Aufgabe in Deutschland ist, könnten gleichzeitig die Parlamente verschlankt werden.

Manchmal stellt man sich sowieso die Frage ob die durch den Fraktionszwang übliche einheitliche Abstimmung nach Parteizugehörigkeit nicht sowieso überholt sind. Tatsächlich werden politische Entscheidung schon lange nicht mehr im Parlament sondern in unterschiedlichen Funktionärszirkeln getroffen.

Der Leitkommentar in der FAZ vom 13.02.1996 beleuchtete unter der Überschrift „Wer bestimmt?“ die tatsächlichen Machtverhältnisse in Deutschland abweichend von der verfassungsrechtlichen Theorie sehr deutlich.

Da kommt abweichend von den Verfassungsregeln eine ganz kleine Clique in Bonn zusammen, in diesem Fall die Vertreter der wichtigen Tarifparteien, der Bundeskanzler, vielleicht noch ein Staatssekretär und ein Protokollführer und formulieren die Rahmenbedingungen für ein zu beschließendes Gesetz. Und dies so detailliert und konkret, daß die Gesetzesschreiber kaum noch Handlungsräume haben. Auch das Parlament war wohl nur noch als Zustimmungsinstrument vorgesehen und von den Akteuren eingeplant.

Da dies nicht das erste Mal passierte, stellt der Kommentator zurecht die Frage, „Wozu gibt es noch ein Parlament?“ Sind es nur noch Statisten, wenn uns mal wieder der Papst oder ein ausländisches Staatsoberhaupt besucht? Wo bleibt die verfassungsrechtlich garantierte Kontrollfunktion der Parlamente?

Dieses praktische Beispiel einer Gesetzesschaffung zeigt nur zu deutlich, dass der Ersatz der Parlamentarier durch Schaufensterpuppen wirklich entschiedene Vorteile hat und ernsthaft erwogen werden sollte, weil diese auch noch programmseitig zum einheitlichen Winken bewegt werden können.

Welche eine Begeisterung käme da bei Ehrengästen auf, wenn alle Parlamentarier nach Abschluss einer wichtigen Begrüßungsrede einheitlich Beifall klatschen, oder wenn ein PDS-Redner im Parlament wunschgemäß nahezu einheitlich ausgebuht werden kann. Selbst wenn stehender Beifall nach Einschätzung der wenigen einflussreichen Politiker erforderlich ist, die mit Computer und Bewegungsmechanik ausgestattete Puppe kann es.

Vor allem fehlt sie auch nicht, weder durch Krankheit, noch durch Lustlosigkeit, oder, auch das ist in Berlin nicht unbekannt, die Puppe strauchelt auch nicht, weil sie mit Alkohol allenfalls äußerlich im Rahmen einer Wartung gereinigt wird.

Und was für den Rechtsstaat auch förderlich wäre, der Schutz der Abgeordneten vor strafrechtlicher Verfolgung bei Straftaten, z. B. durch den § 108 e des Strafgesetzbuches könnte entfallen, weil computergesteuerte Schaufensterpuppen einzukaufen macht keinen Sinn. Interessant wäre da höchstens der Programmierer und die heute schon wenigen einflussreichen Strippenzieher. Das heißt, es würde auch für die Wirtschaft billiger werden.